Operation Libertad

Nicolas Wadimoff, Schweiz, Frankreich, Portugal, 2012o

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Im April 1978 stürmen Mitglieder der «Groupe Autonome Révolutionnaire» (GAR) eine grosse Zürcher Bank mit dem Ziel, die geheimen Verbindungen des Schweizer Finanzsystems zu den lateinamerikanischen Diktaturen ans Licht zu bringen. Um ein Beweismittel in der Hand zu haben, filmen sie die gesamte Aktion. Der Bankdirektor gesteht die Fakten gegenüber der GAR ein, doch der paraguayische Unterhändler verweigert die Kooperation. Dies stellt die Mitglieder der GAR vor schwierige Fragen: Sollen sie diesen Oberstleutnant des Geheimdienstes der Diktatur liquidieren? Oder als Geisel nehmen? Was sollen sie mit den Millionen tun, die sie der Bank gestohlen haben? Und die immer wiederkehrende, quälende Frage: Heiligt der Zweck wirklich die Mittel? Dreissig Jahre später tauchen die Videoaufnahmen der Aktion wieder auf und werfen neue Fragen auf.


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St.Galler Tagblatt, 31.10.2012
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Die Wochenzeitung, 24.10.2012
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Tages-Anzeiger, 24.10.2012
«Selbst das Kino hat den rebellischen Geist verloren»

Der Genfer Nicolas Wadimoff erzählt in seinem neuen Film «Opération Libertad» vom Terrorismus der 70er und von gescheiterten Revolutionsträumen.

Von Christoph Schneider

Sie haben die Handlungszeit für Ihren Spielfilm «Opération Libertad» historisch sehr präzis definiert: Winter und Frühling 1978, vor und während der Entführung von Aldo Moro in Italien. Sie selbst waren fast noch ein Kind damals. Warum gerade diese Monate?

Es war fast ein organischer Prozess, der mich dahin brachte. Ich wollte lange schon einen Film machen über das politische Engagement durch direkte Aktion: Wohin führt das? Was ist der Preis, und wer ist bereit, ihn zu zahlen? Das war ein dramatisches Motiv. Und dann: Immerhin war ich schon dreizehn, vierzehn seinerzeit und habe viel Zeitung gelesen. Stammheim, Schleyer, Moro, die Rote Armee Fraktion und die Roten Brigaden, das kannte ich, das hat mich interessiert, sogar animiert.

Lags an einem politisch aktiven Elternhaus?

Nein. Oder auch ja. Die Familie war eine nicht ganz alltägliche Mischung, und eine Sensibilität fürs Politische wurde von der Mutter inspiriert, die eine Zeit lang, nach dem Staatsstreich von Pinochet, chilenische Flüchtlinge betreute. Sie gab ihnen Französischkurse, und ich erinnere mich sehr gut, dass bei uns ein Mann ein- und ausging, der hatte verstümmelte Hände, weil er für den chilenischen Widerstand Bomben gelegt hatte. Das hat mich fasziniert: Männer und auch Frauen, die für Ziele kämpften, die ich romantisch fand. Andere lesen «Die drei Musketiere» in dem Alter, ich hatte eher aktuelle rebellische Helden.

Und heute noch eine gewisse heroische Nostalgie?

Nur als kleiner Teil der Inspiration. Als ein Eintauchen in meine Erinnerung an eine Zeit. Das entwickelte sich zur ruhigen, distanzierteren Frage nach dem politischen Engagement überhaupt. Mir schien, die umfassenden Fragen aus meiner Jugend stellen sich heute gar nicht mehr, und das brachte mich dann auf diese präzise Erzählzeit. Damals fuhr ein Engagement sich durch seine Gewalttätigkeit quasi selber endgültig an die Wand. Nach den Ermordungen von Hanns Martin Schleyer und Aldo Moro wars doch eigentlich zu Ende - nicht mit der Gewalt, aber mit dem Gefühl, sie nütze etwas. Und heute gibt es den Gedanken, man müsse für etwas Grosses kämpfen und sterben, ja nur noch bei den Islamisten.

Tatsächlich hat man das Gefühl, «Opération Libertad» sei ein trauriger Film. Einer über den Verlust der Illusionen.

Ja, weil diese «Revolutionäre» doch nicht nur Gewaltfanatiker waren. Da war auch etwas Reines, das auch heute noch nötig wäre, ich nenne es gern den grossen Atem des Aufstands. Aber wer heute von seinem Aufstand spricht, der meint Indignation. Der meint «Rettet die Wale» oder «Benützt Biotragtaschen». Selbst das Kino hat den rebellischen Geist verloren.

Sie wahren aber auch Distanz zu diesem Geist. Ihr Film besteht aus wiederentdeckten Videofilmen, die eine Ihrer Figuren gedreht hat. Das ist natürlich fiktiv, eine erfundene Dokumentation, und das wirkt sogar ironisch. Warum diese Form?

Ich spiele mit den Widerprüchen. Diese Ironie ist die Selbstkritik der eigenen Romantik, etwas wie ein Preis, den ich zahlen muss. Es steckt darin auch die Idee, der politische Diskurs habe Fortschritte gemacht seit den frontalen Konfrontationen von damals und das sei eine heilsame Entwicklung. Wir haben uns während der Arbeit trotzdem oft gefragt, ob wir es uns nicht zu leicht machen mit dieser Distanzierungsmethode. Ist es Selbstschutz? Das war die Frage, und meine Antwort war immer: Es ist das einzige Dispositiv, das eine Identifikation mit den Figuren erlaubt. Aber vielleicht verstecke ich mich auch nur hinter meiner Methode.

Mein Eindruck war, sie bewirke das Gegenteil von Identifikation. Das Terroristendrama sieht aus der Distanz aus wie eine unausweichliche Mustertragödie.

Das wäre ja noch besser, es wäre eine universellere Wirkung, die über die Fakten hinausgeht. Obwohl ich mir vor allem gewünscht habe, ein Zuschauer könne sich durch diese Art des Filmens ein Stück weit auf einen historischen Weg einlassen, nicht auf Helden oder Monster, einfach auf normale Menschen und ihre Entscheidungen.

Der Film handelt auch vom Anfang des Videozeitalters, es wird darin diskutiert über die Macht der Bilder. Einer sagt: Die Revolution muss permanente Fernsehunterhaltung werden. Ist diese Diskussion nicht fast zu modern für die damalige Zeit?

Ja und nein. Es gab damals schon die wissenschaftlichen und literarischen Ansätze, und ich glaube, ich habe es damit nicht sehr übertrieben. Aber es ist auch wahr, dass meine Deutungen von heute sich in die Geschichte von damals mischen. Der ganze Film ist so eine Interpretationsmischung. Und ich wollte etwas drin haben von der fortschreitenden Theatralisierung der politischen Aktionen.

Ein bisschen anachronistisch ist es schon, vor allem auch, weil Ihr fiktives Videomaterial in tadellosem Zustand ist. In Wirklichkeit hätten die Magnetbänder 30 Jahre in einem Keller kaum überstanden. Ist Ihnen einmal durch den Kopf gegangen, dass Ihr formaler Ansatz eigentlich gar nicht möglich ist?

Es war sogar eine Riesendebatte, besonders mit Samir, dem Produzenten hier in Zürich, der sozusagen ein Kind des Videos ist. Wir hielten uns eigentlich in allem ans Dogma des absoluten Realismus, wir haben wirklich alles für die authentische Ausstattung getan. Aber irgendwann mussten wir uns mit der Realität arrangieren, dass wir Kino machten. Wären wir auch beim Material konsequent bis zum Ende geblieben, könnte dieser Film gar nicht existieren.

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The Hollywood Reporter, 21.05.2012
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cine-feuilles.ch, 06.03.2013
© Alle Rechte vorbehalten cine-feuilles.ch. Zur Verfügung gestellt von cine-feuilles.ch Archiv
cineuropa.org, 10.05.2012
© Alle Rechte vorbehalten cineuropa.org. Zur Verfügung gestellt von cineuropa.org Archiv
cineuropa.org, 10.05.2012
© Alle Rechte vorbehalten cineuropa.org. Zur Verfügung gestellt von cineuropa.org Archiv
La Gale
/ Dschoint Ventschr
fr / 15.05.2013 / 6‘39‘‘

Discussion après la projéction a Cannes
/ Cannes Film Festival
fr / 20.05.2012 / 9‘00‘‘

Interview Nicolas Wadimoff
/ Cannes Film Festival
fr / 27.02.2012 / 5‘12‘‘

Filmdateno

Genre
Drama
Länge
90 Min.
Originalsprache
Französisch
Bewertungen
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ØIhre Bewertung6.7/10
IMDB-User:
6.7 (83)
Cinefile-User:
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Natacha KoutchoumovVirginie
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Cannes Film Festival, fr , 9‘00‘‘
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cineuropa.org / Emmanuel Cuénod
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